Empathie aus neurowissenschaftlicher Sicht
Der Begriff der Empathie wird in sehr unterschiedlichen Bedeutungen benützt. Aus wissenschaftlicher Sicht umfasst die Empathie:
1. eine intuitiv-emotionale Komponente („Einfühlung“),
2. einen intellektuell-rationalen Aspekt (analytisches Nachdenken über die Motive eines anderen Menschen) und
3. hilfreiches Handeln.
Empathie ist nicht angeboren, lediglich die Fähigkeit, Empathie zu entwickeln ist angeboren. Neueste Forschungsergebnisse zeigen, dass eine empathische und prosoziale Grundeinstellung auch einen Beitrag zur eigenen Gesundheit leisten kann. Empathie ist somit nicht nur Voraussetzung für gutes Zusammenleben. Die Fähigkeit, sich spontan und intuitiv in andere Menschen einfühlen zu können (Komponente 1), hat ihre neurobiologische Basis im System der Resonanz-Nervenzellen (zu denen u. a. auch die Spiegelnervenzellen zählen).
Beim analytischen Nachdenken über die Motive eines anderen Menschen (Komponente 2) benützt der Mensch Nervenzell-Netzwerke, die ihren Sitz in der unteren Etage des Stirnhirns haben. Dazu zählen auch die sogenannten Selbst-Netzwerke, die nicht nur abgespeichert haben, wie wir selbst „funktionieren“, sondern uns zugleich auch dazu dienen, andere Menschen zu dechiffrieren.
Intuitive Einfühlung (Komponente 1) und die Fähigkeit, bewusst über die Motive eines anderen Menschen nachzudenken (Komponente 2), sind eine begünstigende, aber keineswegs hinreichende Voraussetzung für tatsächliche Hilfsbereitschaft (Komponente 3).
Voraussetzung für die Entwicklung von Empathie ist einerseits, dass Kinder und Jugendliche selbst Empathie erlebt haben, andrerseits aber auch, dass sie im Rahmen der Erziehung angehalten werden, die Regeln zu verinnerlichen, die gutes soziales Zusammenleben ermöglichen. Beides hat pädagogische Bedeutung: Empathische Fürsorge und Erziehung zur Selbststeuerung.